ETs WELT
08
Juni
2012

DAS FENSTER

Moviestorm Film
von
Bernhard Dörries



Eine dunkelschimmernde Glasfläche.
Darauf erscheinen die Titel des Films.

Fahrt zurück auf:
Zwei Handwerker legen letzte Hand an das soeben eingebaute grosse Panorama-Fenster, packen ihre Sachen zusammen. Fahrt weiter zurück auf:
den Wohnraum.

In der Mitte sitzen zwei Menschen am Frühstückstisch. Beate und Erich.

Erich schaut zum Fenster und den vorbeigehenden Handwerkern hinterher, wie sie das Zimmer verlassen.
Erich: Jetzt können wir weit hinausblicken. Endlich. Diese alten Häuser liessen wenig Licht herein. Nun ist das anders. Wir werden es hell haben hier, die Sonne wird herein können - das ist gut für unsere Liebe.

Sie sagt nichts, schaut auf ihren Teller.

Beide.

Der letzte Handwerker schliesst die Tür hinter sich.

Beide näher.

Erich isst ein Brötchen, schaut zu Beate hinüber.

Sie isst nicht, schweigt.

Erich: Magst Du es nicht, Liebes? Ist es Dir zu gross?

Beate hebt den Kopf und sieht ihn starr an, sagt mit fester Stimme: Übrigens...

Sie schweigt wieder.

Er schaut, wartet...

Beate: Übrigens, ich gehe jetzt.


Sie schweigt wieder eine ganze Weile

Beate: - für immer.

Erichs Gesicht gross. Er kann nicht fassen, was er hört.


Beide aus dem Garten durch das neue Fenster gesehen. Sie sitzen wie gelähmt da. Keine Regung.

Beates Stimme dann: Hab mir ein neues Haus gesucht, mit den Kindern. Schon ein Jahr lang.

Wieder Schweigen.

Beate: Hab Dir nichts gesagt, wollte Dich nicht beunruhigen.
Erich steht brüsk auf, geht hin und her, setzt sich wieder.

Ihm fehlen Worte.

Zeit vergeht.

Sie steht dann unvermittelt auf: Ja, das wars dann. Lebwohl.

Sie geht langsam zur Tür, öffnet sie, ohne sich noch einmal umzublicken, schliesst sie hinter sich.

Aus dem Flur ihre Stimme: Kommt ihr runter, wir gehen...

Erich allein am Tisch. Die Kamera umkreist ihn. In der Umkreisung Bilder aus ihrer beider Zeit. Als alles noch schön und heil war.

Dann sein Gesicht gross lange Zeit.

Fahrt zurück - hinter ihm taucht das neue Fenster auf.

Man hört von draussen überlaut, wie Autotüren klappen, der Motor angelassen wird, das Auto losfährt.

In dem Fenster fährt es kurz am Rande vorbei.

Erich steht auf, der Stuhl kippt - er geht zum Fenster versucht es zu öffnen, will hinterher schauen....vergeblich, der Motorlärm verklingt. Stille.

Er wirft sich aufs Sofa, stiert besinnungslos auf das neue Fenster - auf sein Unglück.

In dem Fenster nun auch in magischer Spiegelung - Rückblick auf sein heiles Leben mit ihr.


Er dreht sich zum Zimmer um - vor seinen Augen verändert es sich, die Möbel werden zu Gerümpel, die Bilder fallen herab, Müll häuft sich an, mehr und mehr, umgibt den Dasitzenden schon wie eine Mauer.

Er springt auf, flieht in den Garten, schaut von da aus zurück auf sein Leben mit ihr, das jetzt von Müll begraben wird.

Er versucht, das neue unglückselige Fenster zu zerstören. Vergeblich.

Langsam geht er wieder hinein trägt den Müll raus, macht das Zimmer frei, trägt ihren Teller ihre Tasse raus in die Küche. Setzt sich da auf einen Hocker, stiert die Wand an.

Plötzlich rückt er näher an den Herd, öffnet den Backofen, dreht das Gas auf. Man hört es heraus strömen. Dreht es nach einer Weile wieder ab.,

Sein fahles Gesicht. Die Augen sind tot. Da sieht er auf dem Küchentisch einen Zettel
mit einer Adresse.


Im Inneren seines Autos.
Er fährt eine breite Strasse entlang, biegt dann in eine Villenstrasse ein, hält vor einem der Häuser. Bleibt reglos sitzen, beoachtet durch das Autofenster das Haus, sieht sie innen.

Sein fahles Gesicht im Wiederschein einer Laterne. Seine Augen gross. In ihnen flammt ein Feuer auf. Er sieht als Vision ihr Haus in Flammen aufgehen.

Er reibt sich die Augen, alles ist wie vorher. Nichts geschieht. Es ist ihr fremd gewordenes, jetzt weit von ihm entferntes Leben, das er hier vor sich hat.


Er wieder im Wohnzimmer.
Auf dem Sofa sitzend schaut er sich einen Horrorfilm an - die Nacht der lebenden Toten.

Ein lebender Toter, das bin ich auch .....ist einer seiner Gedanken.

Vor dem neuen Fenster steht die Nacht. Dünner Bodennebel steigt auf. Aus dem TV die hohlen Seufzer und Schreie der Zombies.


Er auf dem Bett.
Was soll er noch in dieser Welt.

Er steht nackt auf, geht ins Bad, holt sein Rasiermesser vom Bord, schaut es lange an, lässt es fallen.



Ein nüchternes Sprechzimmer.

Die Therapeutin hinter dem Schreibtisch blickt auf, als Erich herein kommt..

Er setzt sich auf die Ledercouch.

Sie sagt: Sie müssen unter Menschen, das sehe ich ihnen an.

Er nickt, sagt aber nichts.

Sie: Ihre Frau hat sie verlassen, sie sind einsam, denken an Selbstmord, stehen nachts vor ihrem Haus, wollen nur noch eines...

er nickt. Sagt, sie wissen alles über mich.

Sie: Aus Ihren Augen, Ihrem Blick.

Sie steht auf und setzt sich neben ihn auf die Couch, sagt leise, es gibt aber nicht nur diese eine....dabei sieht sie ihn lange aus grosser Nähe an.


Nacht.
Er im Auto vor ihrem Haus. Dort in der Fassade ist ein Fenster hell, sie geht dahinter auf und ab.


Grossraumbüro.

Erich an seinem Arbeitsplatz in seiner Kabine am Firmen- PC. Er schaut sich Fotos von ihr an, zehn, zwanzig, - immer wieder. Hinter ihm taucht der Chef auf, beobachtet ihn schweigend.


Eine Bar.
Erich trinkt sehr viel.
Eine Schwarzhaarige setzt sich dicht neben ihn, sagt leise: Sie hat sie verlassen, mit den Kindern, ein Jahr wollte sie das schon. Du warst ihr zu schwierig, liebtest sie besitzergreifend.

Erich: Wer bist Du?

Sie: Ich bin ihre Schwester.
Bei diesen Worten steht sie auf und geht zur Tür raus.

Erich springt auf, will ihr folgen. Lässt es.

Stattdessen setzt er sich nun dicht neben eine Blondine, beginnt, sie zu küssen. Beide trinken mehr und mehr, landen in seinem ungemachten Bett.

Morgens wacht er auf, sieht seine Frau neben sich liegen. Als er sie umarmen will, ist die Stelle des Bettes leer.

Erich arbeitet im Garten.
Es wird schon dunkel. Er sieht kaum noch was. Nebel steigt um ihn auf. Er geht ins Haus, sitzt da auf dem Sofa – blickt durch das neue Fenster in den Garten.

Um sich abzulenken, schaltet er den TV ein. Soeben läuft eine Reportage. Man sieht ein brennendes Haus. Erich schaut genau hin, - es ähnelt doch stark dem, vor dem er fast jede Nacht steht.

Da wird eine Frau herausgetragen. Sie scheint tot. Man legt sie auf den Vorplatz. Ein Reporter filmt ihr Gesicht. Es ist Beate, seine Frau.

Er bricht zusammen, liegt verkrümmt da, die Augen weit offen, Augen, in denen sich das Feuer spiegelt. Es spiegelt sich auch in dem immer dunkler werdenden Panoramafenster, hinter welchem der Nebel immer dichter wird.

Erich an ihrem Grab. Er steht lange da. Eine Frau tritt zu ihm. Es ist die Schwester. Beide schweigen.

Im Grossraumbüro.

Der Chef drückt sein Beileid aus, deutet dabei eine Möglichkeit der Beförderung an. In Anbetracht der Umstände.


In der Bar.

Erich trinkt und trinkt. Zuhause trinkt er weiter, sitzt da auf dem Sofa, blickt durch das Fenster in die Nacht des Gartens.

Und wieder dieser Nebel. Verschwommen formt sich darin eine Gestalt, nimmt vertraute Züge an.

Beate......Das kann doch nicht sein. Langsam schwebt sie näher, verschwimmt nach Minuten dann wieder, kehrt zurück in den Nebel.


Bei der Therapeutin.

Erich berichtet von seiner nächtlichen Beobachtung. Die Therapeutin setzt sich dicht neben ihn, ermuntert ihn mehr und mehr zu erzählen. Plötzlich küsst sie ihn, sagt, es gibt aber auch ganz reale Frauen.


Erich vor der Brand-Ruine ihres Hauses.
Auch hier steigt dieser Nebel auf. Er sieht sie aber darin nicht.


Zuhause
sitzt er in der anbrechenden Nacht vor dem toten TV. Ihm fallen die Augen zu, er sinkt zurück in die Kissen.

Als er sie wieder öffnet, sieht er sie ganz nah vor dem riesigen Fenster. Sie blickt unverwandt zu ihm hinein – wie gezogen steht er gleitend auf, bewegt sich auf die Glastür zum Garten zu – öffnet sie weit und lässt SIE herein – . Beide stehen lange dicht voreinander, so lange, bis ihre Körper ineinander zu verschmelzen scheinen.

Jetzt kommentieren Kategorie: Stories Autor: bernhard01 08.06.2012 11:58
Blog Kategorien
Immer auf dem Laufenden bleiben!
Beliebteste Blog-Artikel
Neueste Blog-Artikel
Die aktivsten Blogs
Kategorien

Besucher
0 Mitglieder und 1 Gast sind Online

Wir begrüßen unser neuestes Mitglied: bernhard01
Forum Statistiken
Das Forum hat 1 Thema und 6 Beiträge.